Vereinigung der Salesianischen
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Artenschutz und Artensterben - Fakten und Hintergründe

Veröffentlicht am: 14. März 2022
Die Blauracke ist in Deutschland bereits ausgestorben.

Einleitung

Bei einem Spaziergang im Wald oder durch die Natur präsentiert sich uns diese scheinbar in ihrer Vielfalt. Wer käme da auf die Idee, dass diese Vielfalt bedroht ist und weltweit bereits sehr viele Arten verschwunden sind. Daher ist die Bewahrung der Artenvielfalt auch in den Nachhaltigkeitszielen der UNO zu finden. Ziel 15 mit der Überschrift Leben an Land besagt: Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen, Bodendegradation  beenden und umkehren und dem Verlust der biologischen Vielfalt ein Ende setzen.

Die Weltartenschutzkonferenzen sind weit weniger beachtet als die Weltklimakonferenzen. Mitte Oktober 2021 fand in Kunming in China bereits die 15. dieser Konferenzen statt. Die Teilnehmer mussten zugeben, dass die 2010 in Japan ausgerufenen 20 Ziele für die „Dekade der Biodiversität“ (= Artenvielfalt) krachend verfehlt wurden. Diese waren u.a. Abbau aller Subventionen, die die Artenvielfalt gefährden (u.a. für Bergbau, Holz- oder intensive Landwirtschaft), Begrenzung der Verlustrate an Lebensräumen auf weit unter 50% gegenüber 2010, nachhaltige Bewirtschaftung aller Fisch- und Meerestierarten, Sicherstellung der Unversehrtheit aller Korallenriffe, Renaturierung von mind. 15% bisher geschädigter Ökosysteme und umfassende Beteiligung aller indigenen Völker beim Naturschutz. Jeder Leser kann feststellen, wie wenig hier in den letzten 11 Jahren gelungen ist.

"Bei diesem Gipfel geht es darum, die Menschheit zu schützen. Wenn Biodiversität in Gefahr ist, sind auch die Leben von Menschen gefährdet. Wir müssen schließlich die Lebensmittel produzieren, die wir essen. Wir müssen aber auch verstehen, dass Landwirtschaft den Verlust von Artenvielfalt vorantreiben kann."

Inger Andersen, Generalsekretärin des Umweltprogramms der UNO

Der Artenverlust seit 1970

Vom Basisjahr 1970 bis 2000 nahm die Artenvielfalt des Living Planet Index insgesamt um 40% ab. Abbildung aus: Millennium Ecosystem  Assessment, Biodiversity Synthesis, Seite 47

Vom Basisjahr 1970 bis 2000 nahm die Artenvielfalt des Living Planet Index insgesamt um 40% ab. Abbildung aus:

Millennium Ecosystem  Assessment, Biodiversity Synthesis, Seite 47

Im Gegenteil, das Artensterben hat sich eher noch beschleunigt. Die Grafik aus 2005 zeigt, dass besonders bei den im Süßwasser lebenden Arten seit 1970 mehr als die Hälfte unwiederbringlich verschwunden sind. Jüngstes Beispiel war 2006 der Chinesische Flussdelfin. Im 20. Jahrhundert sind als ausgerottete Arten u. a. noch der Tasmanische Tiger (1936) oder die Nordamerikanische Wandertaube (1900) zu nennen, neben Arten wie dem Kalifornischen Kondor (1987 noch 27 Exemplare, heute ca. 500) oder dem Indischen Löwen (1913 noch 20 Exemplare, heute ca. 175), die in allerletzter Sekunde auf ein zerbrechliches, durch Inzucht geschwächtes Restniveau gerettet wurden.

Alle diese Beispiele betreffen große Wirbeltiere, die nur knapp 5% aller Arten von Lebewesen ausmachen. Wie viele Arten an Insekten, Spinnen, Pilzen, Pflanzen und Sträuchern wir alle in den letzten 50 Jahren schon verloren haben, weiß niemand genau, da wir von den geschätzten 8-14 Millionen Arten Lebewesen bis heute nur 1,75 Millionen überhaupt kennen.

Die weltweit am stärksten vom Artensterben betroffenen Gebiete sind: Mittelamerika, Brasilien, die gesamte Ostküste Afrikas südlich von Kenia, Madagaskar und Südostasien vom  Südosten Chinas über Vietnam und Thailand bis nach Borneo. Aber auch in Deutschland wurden seit 1970 5,6% aller Lebewesen ausgerottet (z.B. Ziesel, Alpensteinhuhn oder Blauracke [siehe Bild oben]) und 29% der Arten von der Ästigen Strauchflechte und der Kornrade über Schmetterlinge und Wildbienen bis zu Fischen wie Karausche und Huchen, dem Brachvogel und dem Feldhamster sind in ihrem Bestand extrem gefährdet. Wer mehr erfahren möchte, kann hier in Deutsch nachlesen: www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF-LivingPlanetReport-2016-Kurzfassung.pdf (© World Wide Fund For Nature (WWF), Living Planet Report 2016).

Auswirkungen für Deutschland

Der Feldhamster ist in Deutschland extrem bedroht.

Betrifft uns in Deutschland auch das Aussterben nicht heimischer Arten? Warum ist Biodiversität so bedeutsam?

Es stirbt dort ja nicht nur eine einzelne Art wie der Sibirische Tiger oder die Mittelmeersteckmuschel aus, sondern die gesamten Ökosysteme werden dramatisch geschwächt oder gar zerstört, wie der sibirische Nadelwald oder die Seetangwälder um Mallorca. Sind die Ökosysteme zerstört, dann sind die Folgen bis Deutschland zu spüren:

- Das Sterben tropischer Wälder bedroht das Weltklima dramatisch. Denn diese „Lunge der Erde“ bindet jährlich gut 5% des weltweit ausgestoßenen CO2 in ihre Biomasse ein.

- Tropische Wälder beherbergen viele potentielle Arzneipflanzen. Ein Immergrün aus Madagaskar liefert heute Standardwirkstoffe für Krebsarten wie Morbus Hodgkin oder Leukämie. Wie viele Wirkstoffe können u.U. gar nicht entdeckt werden, weil ihre Trägerarten ausgerottet werden?

- Nahrungsmittel verteuern sich, weil Bestäubungsinsekten fehlen. So müssen in Sichuan seit Jahren Apfel- und Birnenplantagen von Menschenhand bestäubt werden, weil Bienen fehlen. Dies geht auf eine jahrelange Kampagne zu Zeiten Mao Tsedongs zur Ausrottung von Spatzen zurück, die angeblich zu viel von der Reisernte fraßen. Nach Ausrottung Hunderter Millionen Spatzen nahmen Insekten überhand, gegen die dann im großen Maßstab Pestizide versprüht wurden, die unselektiert alle Insekten töteten. So gibt es in Sichuan seit 25 Jahren praktisch keine Bienen mehr. 

Weitergehende Infos gibt es hier

In Englisch gibt es Infos unter www.millenniumassessment.org/documents/document.354.aspx.pdf.

Es lohnt sich gegen das Artensterben in fernen Ländern und auch vor unserer Haustüre anzukämpfen, um nicht vielleicht selbst einmal als „menschliche Biene“ agieren zu müssen. Wie man bedrohten Arten rund um sein Zuhause helfen kann, schildern wir im nächsten Artikel zu diesem Thema.

Bildquellen:

www.millenniumassessment.org/documents/document.354.aspx.pdf (Abbildung 3.7.); de.wikipedia.org/wiki/Blauracke#/media/Datei:Common_European_Roller_(Coracias_garrulus)_crop.jpg;  upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/be/Hamster.jpg