Erkennen nachhaltiger Kleidung

Veröffentlicht am: 20. November 2022

Immer mehr Käufer möchten außer bei ihrer Ernährung auch bei ihrer Kleidung ein gutes Gefühl haben. Sie möchten gerne sicher sein, dass sie ein bestimmtes Kleidungsstück guten Gewissens kaufen können, im Gefühl, dass seine Herstellung dem Planeten und den an der Herstellung beteiligten Personen nicht geschadet hat.

Seit dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza nahe der Hauptstadt von Bangladesh mit 1.135 Toten und 2.438 Verletzten, der auf die Verwendung minderwertiger Baumaterialien und ungeeigneten Baugrund zurückgeführt wurde, steht gerade dieses Land im Fokus der Aufmerksamkeit. In dem Gebäude wurden Textilien mit Etiketten der westlichen Marken Benetton, KiK, Mango und Primark gefunden. Für Bangladesh ist die Herstellung von Textilien ein unverzichtbarer Wirtschaftsfaktor, denn 2014 wurden 81% aller Exporterlöse mit Textilien erzielt.

Die Arbeitsbedingungen in Bangladesh

in den über 5.000 Betrieben der Textilindustrie arbeiten ca. 4 Mio. Menschen, etwa ein Drittel aller industriell Beschäftigten des Landes. Und von diesen 4 Millionen sind über 80% Frauen, davon nicht wenige minderjährig, obwohl Kinderarbeit natürlich auch in Bangladesh offiziell verboten ist. Doch auch die „regulären“ Arbeitsbedingungen der Näherinnen sind alles andere als gut. Der Mindestlohn in Bangladesh wurde zwar, auch durch westlichen Druck, seit 2010 von 19 Euro im Monat (!) in mehreren Stufen auf heute 85 Euro im Monat erhöht. Bei einer Inflationsrate von ca. 8% pro Monat (wir erleben ja gerade selbst, wie sich so etwas anfühlt), benötigen Familien aber etwa 150 Euro pro Monat um ein Leben mit gerade so ausreichender Versorgung führen zu können. Falls also der Vater arbeitslos oder krank wird oder die Mutter alleinerziehend ist, bedeutet dies endlose Überstunden oder die Mitarbeit der Kinder, um dieses Ziel annähend in Reichweite zu bringen.

„Es gibt eine stille, unheilige Allianz zwischen den lokalen Textilmogulen und den Westkonzernen. … Jeder zweite Parlamentarier soll Beziehungen zur Textilindustrie haben. Die hat an den Exporteinnahmen des Landes einen Anteil von 80 Prozent. Den Preis zahlen die Näherinnen – mit mittelalterlichen Arbeitsbedingungen und nicht selten mit ihrem Leben.“

Marc Röhlig und Christine Möllhoff, www.tagesspiegel.de, 03.05.2013

Welche Faktoren spielen für nachhaltige Kleidung eine Rolle?

Während ich also das Herkunftsland oftmals am Etikett erkenne und so entscheiden kann, ob ich Herstellungsländer wie eben Bangladesh, China, Pakistan oder Honduras meiden möchte, sind für ein nachhaltiges Kleidungsstück aber noch viele weitere Faktoren entscheidend. Die wichtigsten sind:

  • Die Herkunft des Rohstoffs, z.B. Baumwolle:
    • Wie wird diese angebaut? Wie hoch ist der Wasserverbrauch und der Spritzmitteleinsatz?
    • Von wem wird die Baumwolle geerntet? Unter welchen Bedingungen? Ist dabei Kinderarbeit im Spiel?
  • Die Herstellung des Stoffs:
    • Wie sind die Arbeitsbedingungen in den Spinnereien?
    • Wie wird der Stoff gefärbt? Mit gefährlichen Chemikalien oder mit Naturfarben?
    • Wie wird vor Ort mit den Abwässern der Färbereien umgegangen?
  • Und dann die Herstellung des Kleidungsstücks selbst:
    • Wie hoch sind die Löhne der Näherinnen? Haben Sie gewerkschaftliche Vertretung?
    • Wie ist der Arbeitsschutz vor Lärm und v.a. Staub und Fasern?
    • Wie steht es um den Brandschutz in den Gebäuden?
    • Wieviel Energie verschlingt der Transport der Kleidung nach Deutschland?
  • Und letztlich mein Einkaufsverhalten:
    • Kaufe ich vor Ort in einem Geschäft mit festangestellten Mitarbeitern?
    • Bestelle ich online mit weiteren Transportvorgängen und ggf. Retouren?
    • Weiß ich ggf. ob diese Retouren wieder einsortiert werden oder am Ende z.B. auf afrikanischen Märkten landen?

Man sieht also, wie viele Fragen der Kauf eines simplen T-Shirts oder einer Jeans auslösen kann und wie wichtig ein wirksames Lieferkettengesetz wäre, das einen Textilkonzern verpflichten würde, alle diese Punkte umweltgerecht und menschenfreundlich zu lösen. Man ahnt aber auch, welche Preissteigerungen dies nach sich ziehen würde. Es würde Kleidung aber auch wieder wertvoll machen und der „fast fashion“ (einmal tragen, dann wegwerfen) den Boden entziehen.

Können mir Gütesiegel weiterhelfen?

Ja, glücklicherweise gibt es zum heutigen Zeitpunkt schon Siegel, denen ich vertrauen kann, wenn auch nicht alle gleich gut sind:

Die beste Empfehlung stellt das IVN Best-Siegel des Internationalen Verbands der Naturtextilwirtschaft dar. Es garantiert, dass es sich zu 100% um ökologisch zertifizierte Naturfasern handelt, dass von der Ernte der Baumwolle bis zur Konfektion des Kleidungsstückes Mindestlöhne gezahlt werden, die Arbeiter/innen Vertretungsfreiheit und das Recht auf kollektive Lohnverhandlungen haben, Zwangs- und Kinderarbeit beseitigt sind und Frauen nicht diskriminiert werden.

Das zweitbeste Siegel heißt GOTS, Global Organic Textile Standard. Hier müssen 70% ökologische Naturfasern sein, 30% dürfen z.B. recyceltes Polyester sein. Die oben genannten Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO gelten auch für GOTS.

Dann folgt das Siegel Fairtrade Cotton. Es legt höchsten Wert auf die Arbeitsbedingungen, aber nicht unbedingt auf Ökologie. Mindestpreise helfen den Bauern und die Fairtrade-Arbeitsstandards sind höher als Kernforderungen der ILO. Das Siegel deckt die gesamte Wertschöpfungskette vom Baumwollbauern bis zur Näherin ab.

Und schließlich gibt es noch das bundesdeutsche Staatssiegel Grüner Knopf, das am 09.09.2019 vom Bundesentwicklungsministerium eingeführt wurde. Hier müssen die Unternehmen stolze 46 Kriterien vom Verbot der Kinderarbeit, über die Zahlung von Mindestlöhnen, den Verzicht auf gefährliche Färbechemikalien, Gewerkschaftsrechte und vieles mehr einhalten, was TÜV und DEKRA in den Produktionsländern überprüfen sollen. Aber für die EU-Länder Bulgarien und Rumänien gelten bereits Ausnahmen bzgl. der Arbeiterrechte! Und der Grüne Knopf erfasst nur „Färben und Bleichen“ sowie „Zuschneiden und Nähen“! 78 Unternehmen führen laut Ministerium Produkte mit dem Grünen Knopf.

Also suchen Sie einmal, vielleicht beim Einkauf neuer Wintertextilien, nach den ganzen angenähten Etiketten und Labeln im Sinne der Nachhaltigkeit!