Vereinigung der Salesianischen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Don Boscos (SMDB) in Deutschland
Slogan

Nachhaltigere Schnittblumen kaufen

Veröffentlicht am: 03. Juni 2022

Seit 1914 ist in den USA und seit 1923 in Deutschland an jedem zweiten Sonntag im Mai Muttertag. Und für die meisten gehört dazu ein großer, frischer Blumenstrauß für Mutti. Auch zu vielen anderen Anlässen werden Blumen ausgesucht, um dem Gegenüber eine Freude zu machen. Heißt es nicht schon bei Goethe: „Blumen sind die schönsten Worte der Natur“? Wer käme auf die Idee, dieser Blumengruß könnte ein Problem mit der Nachhaltigkeit haben?

Noch in den 1950ern kamen die Blumen für den Muttertagsstrauß oft saisonal aus dem eigenen Garten, heute kommen über 90% der in Deutschland verkauften Schnittblumen aus den Niederlanden, wo wir alle dann Tulpen- und andere Blumenfelder vor unserem geistigen Auge haben. Tulpen und Chrysanthemen kommen oft auch tatsächlich aus unserem Nachbarland, herangezogen und gepflückt unter kontrollierten Bedingungen. Doch zwei Drittel aller Blumen (d.h. 60 % der deutschen Ware), werden in den Niederlanden nur vom Großhandel umgeschlagen, gewachsen sind sie aber in Kenia, Äthiopien, Sambia oder Ecuador.

Rosenproduktion im globalen Süden

Der Import solcher Schnittblumen (die BRD ist der größte „Blumeneinkäufer“ Europas) bietet nicht nur wegen des Tausende Kilometer weiten Flugtransports Nachhaltigkeitsproblemer, es stellt sich auch die Frage der Anbau- und Arbeitsbedingungen vor Ort. Diese Fragen soll das Beispiel der Rosen beleuchten.

In Kenia liegt das Zentrum des Rosenanbaus rund um den Naivashasee,  100 km südwestlich der Hauptstadt Nairobi. Dort werden auf etwa 75 riesigen Gewächshausfarmen (zum Teil in indischem Besitz) jährlich über 10.000 Tonnen Rosen produziert - direkte Lebensgrundlage von bis zu 2 Millionen Menschen: Landarbeitern, Rosenpflückerinnen, Transportfahrern usw. Blumenexport ist nach dem Tourismus mittlerweile der zweitwichtigste Wirtschaftszweig Kenias. Am Flughafen Nairobi wurde sogar ein eigenes Terminal nur für den Export von Schnittblumen gebaut. Sambia erzeugt zu 95  % Rosen, die praktisch alle auf niederländischen Auktionen landen, oft bereits in der Nacht nach dem Pflücken. Blumenproduktion ist der boomende Wirtschaftszweig in Sambia. Auch in Ecuador stellen Rosen mit 65 % der Produktion die größte Blumenkultur. Hier gehen aber nur gut 10 % in die Niederlande; wichtigste Abnehmer sind/waren die USA mit knapp 40 % und Russland mit 15 %. Hauptprobleme allen drei tropischen Ländern sind: riesiger Pestizidverbrauch, Absenkung des Grundwasserspiegels und ausbeuterische Arbeitsbedingungen v.a. der Pflückerinnen.

Ohne Pestizide geht es nicht !?

Der hohe Pestizideinsatz (bis zu 200 kg pro Hektar) ist für den Naivashasee ein großes Problem, da die Abwässer der Blumenfarmen ohne Kläranlagen direkt in den See gelangen. Dieser ist nicht nur Heimat seltener Tierarten wie Flusspferde und Wasservögel, die dadurch bedroht werden, sondern auch Trinkwasserquelle vieler Viehzüchter ringsum, v.a. der Massai. Viele haben in einem Jahr mehr als 20 Rinder oder mehr als 50 Ziegen verloren, was ihre Existenz bedroht. Auch spirituell ist dies für die Massai schwer zu verkraften, denn nach ihrem Glauben schuf Gott Enkai zuerst den Menschen und gleich danach die Rinder, damit sich der Mensch davon ernähre.

Die gegenüber Deutschland etwa 5-fachen Spritzmittelmengen sind dem Klima, aber auch den Verbrauchern geschuldet. Hierzu sagt Claudia Brück von der fairen Handelsorganisation TransFair:

„Im Bereich Pestizide sind wir in einem großen Spagat, da Verbraucherinnen und Verbraucher hierzulande nur eine absolut makellose Rose kaufen möchten. Sobald die ein bisschen Fraß oder Pilzbefall zeigt, ist die ja unverkaufbar. Und diese Rose ist nur möglich mit Pestizid-Einsätzen.“

Claudia Brück, TransFair

Rosen mit FairTrade-Siegel

Auch TransFair verzichtet somit nur auf besonders gefährliche Substanzen und reduziert etwas die Menge. Die Produktion mit Substanzmengen wie in Deutschland üblich ist in Afrika unmöglich.

Wie steht es um die Arbeitsbedingungen auf den Blumenfarmen?

Etwa 35 % der Blumenfarmen kennen keine Arbeitsverträge. Hier werden besonders die Rosenpflückerinnen massiv ausgebeutet. Sie arbeiten oft auf Tagelöhnerbasis, fürchten jeden Abend, dass ihr Tageslohn auch wirklich ausbezahlt wird und sind oft noch Opfer sexueller Übergriffe. Doch viele der Arbeiterinnen haben ein Problem: Es gibt keinerlei anderes Einkommen. Würden also deutsche Käufer Importblumen wegen mangelnder Arbeitnehmerrechte boykottieren - aus Sicht der Beschäftigten wäre das denkbar schlecht.

Doch TransFair ist hier Vorbild und sorgt (bei 10 % Aufschlag auf den deutschen Rosenpreis) bei seinen Vertragsfarmern nicht nur für überprüfbare Arbeitsverträge, die Arbeitenden haben auch Anrecht auf Pensionsleistungen, auf Krankheits- oder Mutterschutz und auf gewerkschaftliche Vertretung.

Aber es geht auch ganz anders...

Bei SlowFlowers haben sich 75 Gärtner/innen von Rügen und der Uckermark über Düsseldorf bis zum Kaiserstuhl und dem Thuner See zusammengeschlossen, um auf kleinen Blumenäckern Schnittblumen nachhaltig zu züchten. Das bedeutet konkret: keine Pestizide, Düngung nur mit organischem Material, Saatgut ohne Gentechnik und Verpackung möglichst ohne Einmalplastik. Und natürlich werden die Blumen regional vermarktet und immer nur die Arten, die gerade Saison haben. Also keine Rosen zum Valentinstag im Februar und zum Muttertag im Mai Ranunkeln, Hortensien oder eben spätblühende Tulpen…