Welchen Mehrwert schaffen die Siegel der Bio-Verbände für das Tierwohl?

Veröffentlicht am: 27. Juli 2022

1. Beispiel: Tiertransporte

Nach der gültigen Richtlinie zur Vergabe des EU-Biosiegels darf ein Schwein, dessen Fleisch sich Bio nennen darf, zweimal in seinem Leben bis zu 6 Stunden in einem Tiertransporter unterwegs gewesen sein. Dies betrifft einmal den Weg zwischen der Ferkelaufzucht und der Mast, zum anderen den Weg zwischen Mast und Schlachtung. Das bedeutet beispielsweise, dass ein Ferkel, geboren in der Eifel bei Bitburg, zur Mast bis nach Lüneburg gefahren werden darf und seine Schlachtung dann später in Ansbach in Franken erfolgt (rote Route auf der beigefügten Karte). Der Berechnung liegt Tempo 80 eines Tierlasters auf einer staufreien Autobahn zu Grunde.

Vergleich der erlaubten Transportrouten bei EU-Biosiegel (rot) und Demeter-Siegel (grün) Im Gegensatz dazu erlaubt der Bio-Verband Demeter als strengster der Verbände für sein Siegel nur eine Maximalentfernung von Tiertransporten von 200 km. Das bedeutet, ein in Bitburg geborenes Ferkel käme zur Mast im äußersten Fall bis ins Sauerland und zur Schlachtung weiter nach Kassel, wenn man die Transportrichtung Osten beibehielte (grüne Route auf der Karte). Dass dies weit weniger Stress für die Bio-Tiere bedeutet, liegt auf der Hand.

2. Beispiel: Entfernung der Hörner von Kälbern

Kühe sind beileibe keine von Geburt an hornlosen Wesen, wie man manchmal glauben könnte, wenn man Werbespots für holländischen Käse oder irische Butter sieht. In der Realität werden den Kälbern in einem Alter von unter 6 Wochen die Hornanlagen elektrisch verbrannt. Dies ist schmerzhaft und die Verbrennungsstellen sind nach einer Studie der University of California noch 8 Wochen lang schmerzempfindlich (www.wir-sind-tierarzt.de/2019/11/kaelber-enthornung-schmerz).

Die Richtlinie für das EU-Biosiegel erlaubt diese Prozedur ohne Betäubung der Kälber. Die v.a. in Ostdeutschland verbreiteten Verbandssiegel BIOPARK und GÄA erlauben die Enthornung nur unter Betäubung, was bedeutet, dass ein Tierarzt dabei anwesend sein muss, denn Landwirten ist der Umgang mit Betäubungsmitteln nicht erlaubt. Demeter wiederum verbietet seinen Mitgliedsbetrieben das Enthornen von Kälbchen gene-rell.  

Prozedur der Enthornung junder Kälber

3. Beispiel: Anbindehaltung von Milchkühen

In vielen Betrieben, gerade auch in kleineren, die weniger als 35 Kühe halten und oft nur ältere Ställe besitzen, werden die Kühe über den größten Teil des Jahres an ihren Stallplätzen mit  Gürteln oder Ketten um den Hals angebunden. Das Bayrische Biosiegel erlaubt diese Haltung beispielsweise dann, wenn die Kühe 2 Tage in der Woche Auslauf haben. Während BIOPARK, Demeter und GÄA die Anbindehaltung von Milchkühen generell verbieten, erlaubt Bioland dies den Kleinbetrieben über die Nacht, sofern die Tiere sich sonst den ganzen Tag über frei bewegen können. Wie die Quellenangabe zu unserem Foto zeigt, steht diese Form der Kuhhaltung schon in den letzten 15 Jahren als nicht artgerecht unter Beobachtung.

So werden Kühe auf kleineren Höfen an ihren Stallplätzen angebunden, oft das ganze Jahr.

Man sieht also:

Auch innerhalb des wachsenden Biomarktes gibt es durchaus größere Unterschiede, und wem das Tierwohl von Schweinen oder Rindern am Herzen liegt, der sollte genau auf die Verbandssiegel auf Milchflaschen, Käse- oder Wurstverpackungen achten.

 

Bildnachweise:

1. www.polizei-dein-partner.de/themen/gewalt/familie/detailansicht-familie/artikel/tiertransporter-unterwegs.html

2. www.wir-sind-tierarzt.de/2019/11/kaelber-enthornung-schmerz

3. ÖAG-INFO 8/2008. Erschienen als Sonderbeilage im Fortschrittlichen Landwirt